Erstmalig Erinnerungsstücke an griechische Familie zurückgegeben

Die Arolsen Archives bewahren acht Umschläge mit persönlichen Gegenständen von griechischen NS-Verfolgten auf. Am 20. Juni 2024 konnten wir in der griechischen Botschaft in Berlin den ersten Umschlag an die Enkelin des Widerstandskämpfers Vasilios Kontogeorgiou zurückgeben. Einen Tag zuvor hatte Griechenland den einjährigen Vorsitz im Internationalen Ausschuss der Arolsen Archives übernommen.

„Es ist sehr besonders und unglaublich, dass ich 80 Jahre später die Uhr meines Großvaters entgegennehmen kann“, sagt Angeliki Nikou Kontogeorgiou sichtlich bewegt. Ihr Großvater Vasilios Kontogeorgiou war während des Zweiten Weltkriegs als politischer Häftling in mehreren Konzentrationslagern in Deutschland inhaftiert gewesen.

Widerstandskämpfer überlebte mehrere Konzentrationslager

Vasilios Kontogeorgiou wurde am 31. Dezember 1917 in Volos, Griechenland, geboren. Er arbeitete als Staatsanwalt. Während der deutschen Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg gründete er zusammen mit Freunden eine Widerstandsorganisation. Die Nationalsozialisten verhafteten und internierten ihn wahrscheinlich zunächst im Konzentrationslager Chaidari in einem Vorort von Athen. Am 25. Mai 1944 wurde Vasilios Kontogeorgiou als einer von 850 griechischen politischen Gefangenen in das KZ Neuengamme deportiert. Von Neuengamme aus verschleppte ihn die SS in das Außenlager Salzgitter-Watenstedt weiter und zwang ihn in der Granatenproduktion zu arbeiten. Als die Front gegen Ende des Krieges näher rückte, verschleppte die SS die Häftlinge dieses Lagers in das KZ Ravensbrück. Vasilios überlebte die Haft, wurde von der Roten Armee befreit und kehrte nach Griechenland zurück. Seine drei Freunde, mit denen er im Widerstand gewesen war und die mit ihm zusammen deportiert worden waren, hatten nicht überlebt. Nach dem Krieg war Vasilios Direktor einer Bank in Athen und kehrte im Ruhestand in seine Heimatregion zurück. Er heiratete im Alter von 35 Jahren und bekam einen Sohn. Vasilios starb am 24. April 1997 in Larisa, nicht weit von seiner Heimatstadt entfernt.

 

Die Taschenuhr von Vasilios Kontogeorgiou

Erfolgreiche Suche durch Freiwillige

Bei seiner Verhaftung trug Vasilios eine Taschenuhr bei sich, die ihm die Nazis abnahmen. Die Arolsen Archives bewahren diese wie auch die persönlichen Gegenstände von noch rund 2000 weiteren ehemaligen KZ-Häftlingen auf. Mit #StolenMemory versuchen wir die Angehörigen der rechtmäßigen Besitzer*innen zu finden. 2019 haben wir in einer Plakatausstellung in Athen zur Suche nach den Familien der acht griechischen NS-Verfolgten aufgerufen, deren persönliche Gegenstände wir in der Sammlung haben. Der Historiker und #StolenMemory-Freiwillige Loukas Lymperopoulos veröffentlichte außerdem im Sommer 2023 alle Namen in einer griechischen Zeitung. Die Suche ist jedoch schwierig, da wir von Vasilios und einigen der anderen Griechen nur den Namen, der von den Deutschen oft falsch geschrieben wurde, und das Geburtsdatum wissen, jedoch keinen Geburtsort. Ende Mai diesen Jahres erreichte uns trotzdem die Nachricht, dass endlich die erste griechische Familie gefunden werden konnte:

In Zusammenarbeit mit Loukas Lymperopoulos fand Vasiliki Panagou, die Enkelin eines anderen griechischen Neuengamme-Häftlings, den Sohn von Vasilios in ihrer eigenen Heimatstadt Larisa. Seine Tochter Angeliki, die Enkelin von Vasilios, wohnt derzeit in Berlin und konnte so das Erinnerungsstück bei der feierlichen Zeremonie am 20. Juni entgegennehmen. Sie war 11 Jahre alt, als ihr Großvater starb und kann sich noch gut an ihn erinnern. Er hatte ihr von seiner Haft erzählt. Nach seinem Tod hatte Angeliki immer wieder vergeblich versucht, im Internet mehr Informationen über das Schicksal ihres Großvaters, den sie als ihr Vorbild bezeichnet, zu sammeln. Als sie erfuhr, dass seine Taschenuhr bei den Arolsen Archives aufbewahrt wurde, war sie überrascht und sehr berührt.

Bewegende Rückgabezeremonie

Am 20. Juni 2024 erhielt Angeliki die Taschenuhr ihres Großvaters Vasilios zurück. In der griechischen Botschaft in Berlin wurde sie ihr von Georgios Polydorakis, dem Leiter des Historischen und Diplomatischen Archivs des Griechischen Außenministeriums, übergeben. Am Tag zuvor hatte er für Griechenland beim Treffen des Internationalen Ausschusses der Arolsen Archives in Bad Arolsen den Vorsitz bis Juni 2025 übernommen. Die Freude, dass genau jetzt die erste Rückgabe im Rahmen von #StolenMemory stattfinden konnte, war groß: auch bei Panagiota Konstantinopoulou, der Gesandten der Botschaft der Hellenischen Republik in Berlin, die Grußworte sprach und der Direktorin der Arolsen Archives, Floriane Azoulay, die das Projekt #StolenMemory vorstellte. Neben Pressevertreter*innen waren zudem der polnische Botschafter und die deutsche Vertreterin im Internationalen Ausschuss Ebba Scholl sowie Vertreter aus Frankreich und Italien bei der Veranstaltung anwesend.

Die Enkelin Angeliki Nikou Kontogeorgiou und der griechische Vertreter im Internationalen Ausschuss Georgios Polydorakis

Angeliki hält die Taschenuhr ihres Großvaters während der gesamten Veranstaltung in den Händen und will sie nicht mehr loslassen. Sie hat erfahren, was es bedeutet, von den Nationalsozialisten geraubte Erinnerungsstücke eines Familienmitglieds zurückzubekommen. Jetzt möchte Vasilios′ Enkelin die Suche nach den Angehörigen der sieben griechischen NS-Opfer, deren persönliche Gegenstände noch auf ihre Rückgabe warten, als Freiwillige unterstützen.

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